Guten Morgen NOZ Team,
hier sende ich Ihnen meinen Leserbrief zur NOZ vom Montag, 23. Juni 2025, Seite 2, Expertentalk.
Die von Ihnen wiedergegebene Diskussion zur deutschen Migrationspolitik greift ein zentrales gesellschaftliches Thema auf, leider in einer Weise, die ein differenziertes Bild vermissen lässt. Der Eindruck, den etwa Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag erweckt, wonach „die Kommunen flächendeckend überfordert“ seien, widerspricht sowohl kommunalen Erfahrungsberichten als auch wissenschaftlichen Studien. In vielen Städten funktioniert Integration, getragen von engagierten Ehrenamtlichen und gut aufgestellten Verwaltungen. Natürlich gibt es regionale Überforderung, aber daraus eine pauschale Überforderung des ganzen Landes abzuleiten, ist unseriös.
Auch die Forderung nach „Zurückweisungen an der Grenze“ mag sich zugespitzt gut anhören, sie steht jedoch auf rechtlich wackeligem Boden. Die deutsche Rechtslage erlaubt Zurückweisungen nur unter engen Voraussetzungen. Mehrere Gerichtsurteile haben zuletzt klargestellt, dass pauschale Zurückweisungen von Asylsuchenden gegen europäisches Recht verstoßen können.
Dass Deutschland auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen ist, wird im Artikel nur beiläufig erwähnt, obwohl genau das der entscheidende Punkt ist. Der demografische Wandel ist real, der Fachkräftemangel längst spürbar. Ohne Menschen aus Drittstaaten wird sich dieser Trend nicht aufhalten lassen. Wer ernsthaft über „Steuerung“ spricht, muss legale Einwanderung fördern statt abschrecken.
Wenn nun ausgerechnet Rainer Wendt den Begriff der „Lebenslüge deutscher Politik“ bemüht, wirkt das besonders befremdlich. Herr Wendt stand selbst wegen jahrelanger Bezüge ohne dienstliche Gegenleistung sowie nicht deklarierter Nebeneinkünfte in der Kritik, und musste disziplinarische Konsequenzen hinnehmen. Seine moralische Autorität, um heute über Integrationsgrenzen zu urteilen, erscheint deshalb zumindest zweifelhaft.
Die Migrationspolitik braucht kein Schwarz-Weiß-Denken und keine populistischen Zuspitzungen. Was es braucht, ist eine ehrliche, sachorientierte Debatte mit Blick auf realistische Herausforderungen – und auf die Chancen, die in klug gesteuerter Zuwanderung liegen.
Mit freundlichen Grüßen
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