Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Schmidt,
hier sende ich Ihnen meinen Leserbrief zum Kommentar von Tobias Schmidt (Enquete-Kommission zur Corona-Politik, NOZ vom 11. Juli 2025).
Der Kommentar von Tobias Schmidt fordert zu Recht eine umfassende und kritische Aufarbeitung der Corona-Politik. Doch die Argumentation leidet unter verkürzten Zusammenhängen und einer problematischen Vermischung von Ebenen.
Wenn der Skandal um Jens Spahns Maskenbeschaffung als „Ablenkung“ von „schlimmeren Fehlern“ dargestellt wird, wird ein individueller Verdacht auf Vetternwirtschaft, der in erster Linie ein Thema von Integrität und möglicher Vorteilsnahme darstellt, mit strukturellen Fehlentscheidungen in der Pandemiepolitik gleichgesetzt oder gar als weniger relevant abgetan. Diese Vermengung ist nicht nur analytisch unsauber, sondern auch irreführend. Es handelt sich hier um zwei vollkommen unterschiedliche Dimensionen: persönliches Fehlverhalten versus kollektives politisches Handeln unter Unsicherheitsbedingungen.
Auch wenn es berechtigte Kritik an Maßnahmen wie Schulschließungen oder dem öffentlichen Umgang mit Ungeimpften gibt, pauschale Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Sie drohen, komplexe Abwägungsprozesse zu skandalisieren, die unter Zeitdruck und unvollständiger Datenlage getroffen wurden. Genau diese Komplexität sollte eine Enquete-Kommission untersuchen, sachlich, differenziert und jenseits von Empörungslogik.
Statt die öffentliche Debatte weiter zu emotionalisieren, braucht es eine nüchterne, selbstkritische Auseinandersetzung mit dem, was gut und was schlecht gelaufen ist, inklusive der Frage, wie zukünftige Krisen besser bewältigt werden können. Dafür braucht es weder Sündenböcke noch Symbolpolitik, sondern Aufrichtigkeit und analytische Tiefe.
Mit freundlichen Grüßen
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