Sehr geehrtes NOZ Team,  sehr geehrte Frau Lehmann, 

hier sende ich Ihnen meinen Leserbrief zu: Bürgergeld kommt weg – und das ist gut so! (Rena Lehmann, NOZ, 10.10.2025).

Der Kommentar von Rena Lehmann auf der Titelseite zur Abschaffung des Bürgergelds zeigt deutlich, wie einseitig inzwischen über Sozialpolitik berichtet wird. Während direkt daneben ein Bericht über den enormen Reichtumszuwachs der Milliardäre in der EU steht, fordert Lehmann mit moralischem Unterton mehr Strenge gegenüber Menschen am unteren Ende der Gesellschaft. Diese Gleichzeitigkeit ist bezeichnend.

Lehmann behauptet, das Bürgergeld habe „Neiddebatten“ befeuert und die SPD von der arbeitenden Bevölkerung entfremdet. Doch belegt wird das nicht. Die meisten Bürgergeldbeziehenden sind keine „Leistungsverweigerer“, sondern Kinder, Alleinerziehende oder Menschen in schlecht bezahlten Jobs, die trotz Arbeit nicht über die Runden kommen. Von einer „Rückkehr zum ursprünglichen Sinn“ zu sprechen, heißt, soziale Not wieder stärker zu sanktionieren, das ist kein Fortschritt, sondern Rückschritt.

Wer „Vermittlungsvorrang“ und Leistungskürzungen bis zur kompletten Streichung als „gesellschaftlichen Frieden“ verkauft, verkennt, was wirklich spaltet: die wachsende soziale Ungleichheit. Wenn die reichsten 3600 Menschen in der EU so viel besitzen wie 181 Millionen der ärmsten Bürgerinnen und Bürger, dann ist das kein moralisches, sondern ein strukturelles Problem.

Lehmanns Kommentar verschiebt den Blick von dieser Ungerechtigkeit weg hin zu vermeintlich „unwilligen“ Armen. Das mag ins politische Konzept der Union passen, aber es trägt nicht zu einer ehrlichen Debatte über Gerechtigkeit, Respekt und Teilhabe bei. Ein Sozialstaat, der Menschen bestraft, statt sie zu befähigen, verliert seine Glaubwürdigkeit.

Mit freundlichen Grüßen