Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrte Frau Böhm,
hier sende ich Ihnen meinen Leserbrief zum Artikel „Macht Mindestlohn Erdbeeren unbezahlbar?“ (NOZ vom 09.07.2025).
Der Artikel über die Sorgen der Obstbäuerin Janne Böckmann erweckt einseitig den Eindruck, der gesetzliche Mindestlohn sei eine Bedrohung für unsere heimischen Erdbeeren, und unterschlägt dabei zentrale Aspekte einer fairen und sozialen Arbeitswelt.
Es ist bedenklich, dass die Autorin die Aussagen der Unternehmerin sowie der Agrarlobby nahezu unkommentiert wiedergibt, ohne die Perspektive der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nur einmal zu erwähnen. Was bedeutet es für rumänische Erntehelfer, 12 Stunden auf dem Feld zu stehen, und dennoch kaum mehr als den Mindestlohn zu erhalten? Sollte es in einem reichen Land wie Deutschland wirklich als Zumutung gelten, dass auch „der schwächste Erdbeerpflücker“ einen gesetzlich garantierten Lohn bekommt?
Der Mindestlohn ist kein Luxus, sondern eine untere Haltelinie gegen Ausbeutung. Wenn Betriebe ihre Preise nur durch Lohndumping konkurrenzfähig halten können, liegt das Problem nicht beim Mindestlohn, sondern bei einem Wirtschaftssystem, das unfaire internationale Konkurrenz zulässt und soziale Standards untergräbt.
Auch die Erzählung von den „Schnorrern“ auf dem Feld oder dem Fachkräftemangel wirkt wie ein Ablenkungsmanöver. Niemand bestreitet, dass die Landwirtschaft vor Herausforderungen steht, aber der soziale Frieden wird nicht durch Diebe auf Erdbeerfeldern bedroht, sondern durch die Forderung nach Ausnahmen im Arbeitsrecht.
Statt ständig nach Sonderregelungen zu rufen, sollte sich die Branche fragen, wie faire Arbeitsbedingungen, regionale Qualität und nachhaltige Produktion gemeinsam funktionieren können. Das wäre eine Debatte, die wir dringend brauchen, nicht die Aufweichung des Mindestlohns.
Mit freundlichen Grüßen
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