Leserbriefe, Medienkritik & politische Analysen seit 2025

Kategorie: Die rechtsextreme AfD (Seite 2 von 4)

Leserbrief zur NOZ-Meinung „Wo die AfD Recht hat“ vom 4. Oktober 2025

Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Koch,

ich sende Ihnen meinen Leserbrief zur NOZ-Meinung „Wo die AfD Recht hat“ vom 4. Oktober 2025.Der Kommentar „Wo die AfD Recht hat“ trägt zur weiteren Normalisierung einer Partei bei, die vom Verfassungsschutz in mehreren Landesverbänden als gesichert rechtsextrem gilt.

Statt kritisch zu beleuchten, wie gezielt die AfD den tragischen Fall von Friedland instrumentalisiert, übernimmt der Beitrag ihre Narrative nahezu unkommentiert. Selektive Zahlen zu Straftaten von Asylbewerbern werden ohne Kontext präsentiert, etwa ohne Hinweis darauf, dass es sich um Tatverdächtige, nicht Verurteilte handelt und dass viele Delikte interne Konflikte in Unterkünften betreffen. So entsteht ein verzerrtes Bild, das Ängste schürt statt aufzuklären.

Die scheinbare Ausgewogenheit („Nicht alle Asylbewerber sind kriminell, aber einige eben doch“) verschiebt den Diskurs subtil in Richtung AfD-Rhetorik. Der Text endet mit der Forderung, „die Politik müsse endlich Konsequenzen ziehen“, eine Formulierung, die exakt der Argumentationslinie der AfD folgt.

Gerade jetzt, wo über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren diskutiert wird, sollten Medien besonders verantwortungsvoll mit ihrer Sprache umgehen. Wer einer rechtsextremen Partei attestiert, „Recht zu haben“, ohne ihre gezielte Desinformation und Demokratiefeindlichkeit klar zu benennen, legitimiert sie indirekt.

Freier Journalismus darf Missstände benennen, aber er sollte nicht dazu beitragen, die Gegner der Demokratie zu normalisieren.

Mit freundlichen Grüßen 

NOZ vom Donnerstag, 11.09.2025, Meinung Rena Lehmann, Seite 1 („Weniger Flüchtlinge erreichen Deutschland, verliert die AfD ihr wichtigstes Thema?“)

Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrte Frau Lehmann,

der Kommentar von Rena Lehmann („Weniger Flüchtlinge erreichen Deutschland, verliert die AfD ihr wichtigstes Thema?“) überzeugt an einer zentralen Stelle nicht. Lehmann behauptet, die verbreitete Annahme, dass die AfD gestärkt werde, wenn etablierte Parteien deren Themen übernehmen, sei eine „Fehleinschätzung“. Diese Aussage widerspricht jedoch dem Stand der politikwissenschaftlichen Forschung.

Zahlreiche Studien zeigen: Wer die Narrative und Problemdefinitionen der extremen Rechten übernimmt, verschiebt das politische Koordinatensystem nach rechts und stärkt die AfD indirekt. Denn die Partei gilt in Fragen der Migration als das „Original“, während Union, SPD oder FDP bei Wählerinnen und Wählern an Glaubwürdigkeit verlieren. Beispiele dafür gibt es genug: In Bayern verlor die CSU trotz scharfer Rhetorik zur „Obergrenze“ Stimmen an die AfD. Auch auf Bundesebene stieg die AfD weiter, obwohl die Migrationspolitik seit 2015 deutlich verschärft wurde. Politikwissenschaftler wie Arzheimer, Mudde oder Decker weisen seit Jahren auf diesen Effekt hin.

Problematisch ist zudem, dass Lehmann zwar feststellt, die Zahl der Asylsuchenden sinke und die Kommunen entlastet würden, zugleich aber erneut ein Bild des „Kontrollverlusts“ zeichnet. Genau dieses Framing macht rechte Narrative stark, unabhängig davon, wie die Realität aussieht. Wer Migration ständig in den Vordergrund rückt, hält das Thema groß und spielt damit der AfD in die Hände.

Eine glaubwürdige Alternative zur AfD entsteht nicht durch die Übernahme ihrer Themen, sondern durch klare Abgrenzung, faktenbasierte Aufklärung und das Setzen eigener politischer Schwerpunkte: soziale Sicherheit, bezahlbares Wohnen, funktionierende Infrastruktur, Energiewende. Hier entscheidet sich das Vertrauen in demokratische Parteien, nicht in der Nachahmung der AfD.

Mit freundlichen Grüßen 

Leserbrief zur NOZ vom Samstag, 06.09.2025, Seite 5, Ein Denken wie Lenin

Sehr geehrte Redaktion,

die Empörung über ein T-Shirt des niedersächsischen Verfassungsschutzes wirkt vorgeschoben. Ausgerechnet CDU, Werteunion und FDP, die sonst für Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner oder Palantir-Software eintreten, geben sich plötzlich als Hüter der Bürgerrechte.

Der Verdacht liegt nahe: Manche Konservative kritisieren den Verfassungsschutz weniger wegen eines missglückten Spruchs, sondern weil sie selbst durch seine Arbeit ins Visier geraten könnten, sei es bei der Beobachtung rechtsextremer Netzwerke oder der AfD.

Die eigentliche Gefahr für unsere Demokratie liegt nicht in einem flapsigen Werbespruch, sondern in dem Versuch, den Verfassungsschutz politisch zu diskreditieren.

Mit freundlichen Grüßen

Leserbrief zur NOZ vom Samstag, 30.08.2025, Meinung Burkhardt Ewert, Seite 1

Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Ewert,

hier mein Leserbrief zur NOZ vom Samstag, 30.08.2025, Meinung Burkhardt Ewert, Seite 1.

Der Kommentar zu Angela Merkels „Wir schaffen das“ verzerrt das Bild von 2015. Ja, damals stieg die Zahl der Asylanträge stark an, rund 476.000 im Jahr, wir alle wissen warum. Von „Millionen Syrern“ kann aber keine Rede sein, und längst nicht alle sind geblieben.

Auch die Behauptung, Merkels Entscheidung habe den Brexit „entscheidend“ ausgelöst, ist historisch unhaltbar. Das Referendum war längst angekündigt, die britische EU-Skepsis tief verwurzelt. Merkels Politik war vielleicht ein Mosaikstein, sicher aber nicht der Schlüssel zum Austritt.

Gern wird auch der Aufstieg der AfD allein auf 2015 zurückgeführt. Das ist bequem, blendet aber andere Ursachen wie soziale Abstiegsängste und allgemeine Politikverdrossenheit aus.

Vor allem unterschlägt der Kommentar die Realität von heute: Laut IAB sind inzwischen 64 % der 2015 Geflüchteten erwerbstätig, rechnet man Selbstständige hinzu sogar knapp 70 %. Damit liegt diese Gruppe fast gleichauf mit der Beschäftigungsquote der Gesamtbevölkerung (77 %). Männliche Geflüchtete arbeiten sogar überdurchschnittlich häufig. Wer also behauptet, Merkels Entscheidung habe Deutschland nur geschadet, ignoriert diese Fakten.

Angela Merkels „Wir schaffen das“ war kein Ausdruck von Willkür, sondern eine politische Wette auf Humanität und Integrationskraft. Zehn Jahre später zeigt sich: Ganz so falsch lag sie nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Leserbrief zum Artikel „Wir schaffen das half der AfD beim Aufstieg“ (NOZ vom 26.08.2025, Seite 3)

Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Grupe,

hier sende ich Ihnen meinen Leserbrief zum Artikel „Wir schaffen das half der AfD beim Aufstieg“ (NOZ vom 26.08.2025, Seite 3).

Der Beitrag von Leon Grupe reduziert den Aufstieg der AfD fast vollständig auf Angela Merkels Entscheidung im Sommer 2015. Diese Sichtweise greift viel zu kurz und greift auf ein längst bekanntes, aber stark vereinfachtes Narrativ zurück.

Erstens: Die Ursachen für den Erfolg der AfD sind komplex. Neben der Flüchtlingsbewegung spielten auch Eurokrise, soziale Spaltung, die Ost-West-Differenz, interne Kurswechsel der AfD sowie gezielte Desinformationskampagnen eine wesentliche Rolle. Wer Merkels „Wir schaffen das“ als fast alleinigen Auslöser darstellt, unterschlägt diese Faktoren und verengt den Blick.

Zweitens: Die Darstellung der Kölner Silvesternacht als Beispiel für „hunderte Frauen“ ist irreführend. Fakt ist: Es gab über 1.000 Anzeigen, davon rund 660 mit sexuellem Bezug, überwiegend wegen Belästigungen im Gedränge. Von „hunderten vergewaltigten Frauen“ kann keine Rede sein. Solche Zuspitzungen tragen eher zur Mythenbildung bei, als dass sie zur sachlichen Aufarbeitung beitragen.

Drittens: Wer Merkels Politik die „Schuld“ am AfD-Aufstieg zuschiebt, entlastet damit paradoxerweise die AfD selbst. Eine demokratische Öffentlichkeit sollte nicht die populistische Erzählung verstärken, dass allein „die Flüchtlingspolitik“ diese Partei groß gemacht habe.

Eine seriöse Analyse muss die Mehrdimensionalität der Ursachen anerkennen und darf nicht in einfachen Schuldzuweisungen stecken bleiben.

Mit freundlichen Grüßen 

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »