Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Ebert,
hier sende ich Ihnen meinen Leserbrief zum Artikel über den Kulturdämpfer Weimer und das Gendern im Amtsdeutsch auf der Seite 26 der NOZ vom Mittwoch, 13.08.2025.
Philipp Ebert lobt Kulturstaatsminister Weimer für dessen Verzicht auf Genderzeichen und stilisiert dies als Verteidigung „effizienter Verständigung“. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine neutrale Rechtschreibbefolgung, sondern um eine politisch motivierte Entscheidung, die bewusst ein kulturkonservatives Signal setzt.
Das Narrativ, Gendern sei eine moderne linke Erfindung, ist historisch falsch: Schon Goethe schrieb in einem Brief 1827 an „meine jungen Freunde und Freundinnen“, und amtliche Texte des 19. Jahrhunderts kannten Doppelformen. Sprache hat sich stets gewandelt, und inklusive Formen sind keine neuzeitliche Umerfindung.
Auch die Wissenschaft widerspricht der Unterstellung, Gendern störe grundsätzlich das Verstehen: Empirische Studien zeigen, dass Verständlichkeit kaum leidet, während die mentale Einbeziehung von Frauen und nichtbinären Menschen steigt.
Wer Gendern als ideologische Manipulation brandmarkt, muss ehrlich sagen: Auch das staatliche Festschreiben einer Nicht-Gender-Norm ist ein politischer Eingriff in Sprache, nur eben von konservativer Seite. Weimer ist damit kein Kulturkämpfer, sondern ein Kulturdämpfer.
Mit freundlichen Grüßen
Ebert, Philipp <philipp.ebert@noz.de> schrieb am Mi., 13. Aug. 2025, 12:15:
Sehr geehrter Herr Reichl,
danke für Ihre Rückmeldung! Mit „Kulturdämpfer“ haben Sie ja ein schönes Bonmot geschaffen!
Ansonsten stimme ich Ihnen dahingehend zu, dass die Nennung von Frauen und Männern eine Normalform in der gesprochenen Rede ist oder sein sollte. Ich subsumiere das aber nicht unter den Eingriffen durch Unterstriche, Sternchen und Glottisschlag. Die Nennung von Frauen und Männern würde ja gerade von Verfechtern der Gender-Sprache als reaktionär gekennzeichnet werden.
Ansonsten ist es ja nicht so, dass es eine staatliche Festschreibung gibt. Es ist ja vielmehr so, dass Weimer seine Behörde angewiesen hat, sich an die Regeln der Rechtschreibung zu halten. Mehr nicht. Vgl. auch hier:
Insofern ist er eben auch kein besonders rigoroser Kulturkämpfer.
Freundliche Grüße
Philipp Ebert
Sehr geehrter Herr Ebert,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Dass wir uns bei der Nennung von Frauen und Männern in der gesprochenen Sprache einig sind, freut mich, gerade weil diese Doppelformen historisch, von Goethe bis in amtliche Texte des 19. Jahrhunderts, als Mittel zur Sichtbarmachung beider Geschlechter genutzt wurden. Sie sind damit keine Alternative zum Gendern, sondern eine frühe Form gendergerechter Sprache.
Ihre Darstellung, Weimer halte sich lediglich an die Rechtschreibregeln, greift zu kurz. Der von Ihnen verlinkte NOZ-Artikel zeigt, dass er weit darüber hinausgeht: Er empfiehlt öffentlich allen Museen, Stiftungen und Rundfunkhäusern, auf Genderzeichen zu verzichten, und bezeichnet gendergerechte Formen pauschal als „ideologische Kunstsprache“. Das ist nicht neutral, sondern eine wertende und politisierende Zuschreibung.
Auch die oft genannte Zahl, „60 bis 80 %“ seien gegen Gendern, ist nur bei einzelnen Formen wie Sternchen oder Glottisschlag zutreffend. Doppelformen oder neutrale Varianten genießen in der Bevölkerung weit höhere Akzeptanz. Wer diese Differenzierung auslässt, stützt ein pauschalisierendes Framing.
Schließlich ist auch eine „Empfehlung“ nicht unpolitisch, wenn sie mit Aussagen wie „entfremden sich von ihrem Publikum“ verbunden wird. Solche Formulierungen üben öffentlichen Druck aus, grenzen Gruppen gegeneinander ab und setzen klare kulturelle Marker. Genau das sind Kernelemente dessen, was man gemeinhin als Kulturkampf bezeichnet.
Mit freundlichen Grüßen
Timm Reichl
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