Warum die Empörung über die rechtmäßige Habeck-Doku-Förderung doppelte Standards offenbart und wie unionsnahe Skandale ein ganz anderes Licht auf die Debatte werfen.
Hallo NOZ, hallo Herr Ebert,
Herr Ebert kritisiert die Filmförderung der Habeck-Doku als instinktlos, räumt aber selbst ein, dass sie rechtlich völlig einwandfrei war. Kulturförderung nach klaren Kriterien ist in Deutschland alltägliche Praxis, tausendfach im Jahr. Wer daraus dennoch eine moralische Verfehlung konstruiert, betreibt weniger Medienkritik als politische Symbolpflege.
Bemerkenswert wird diese Empörung vor allem im Vergleich: Als Unionspolitiker wie Jens Spahn mit fragwürdigen Maskengeschäften, Immobilienaffären oder eigenen Parteikollegen mit üppigen Pandemie-Provisionen Schlagzeilen machten, war von Instinktlosigkeit selten die Rede. Dort ging es nicht um reguläre Fördermittel, sondern um echte Bereicherung im politischen Umfeld.
Dass ausgerechnet eine rechtmäßig geförderte Dokumentation skandalisiert wird, während unionsnahe Verfehlungen verharmlost oder verschwiegen werden, zeigt vor allem eines: doppelte Standards.
Zumal die neue, konservativ geführte Regierung inzwischen zentrale energie- und industriepolitische Maßnahmen umsetzt, die Habeck einst forderte, und für die er jahrelang von eben jenem Lager verspottet wurde. Vielleicht erklärt das auch die nicht enden wollende Kritik: Sie soll verdecken, dass ausgerechnet der vielgescholtene Habeck in wesentlichen Fragen richtig lag.
Eine faire Debatte braucht Maßstäbe, die für alle gelten, nicht nur für die politische Gegenseite.
Mit freundlichen Grüßen
Mo., 8. Dez. 2025, 10:32
Guten Tag, Herr Reichl,
ich kann die Grundannahmen Ihres Leserbriefs nicht verstehen: Über die Vorwürfe gegen Jens Spahn haben wir zigfach berichtet. Sie arbeiten hier mit einem Strohmann-Argument, die rhetorische Strategie wiederum ist rabulistisch.
Im Übrigen greift meine Kritik nicht Robert Habeck an (was allerdings auch legitim wäre), sondern die Doku. Habeck hat eine solch schlechte Doku nicht verdient; tatsächlich ist es ja fast tragisch, wie er in dem Film dem Filmemacher erklären muss, dass die Dinge eben komplizierter sind, als dieser es sich denkt. Falls sie den Film noch nicht gesehen haben, empfehle ich ihn. Nicht, weil er gut wäre, sondern als Zeitdokument. Und man kann zugeben, dass der Filmemacher wenn auch naiv und überheblich, so doch sympathisch wirkt.
Viele Grüße
Philipp Ebert
Guten Tag, Herr Ebert,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Weder den Vorwurf eines Strohmann-Arguments noch den der Rabulistik kann ich nachvollziehen. Ich habe Ihnen keine Position zugeschrieben, die Sie nicht vertreten, und auch keine spitzfindige Argumentation geführt. Meine Kritik bezog sich allein auf die Unterschiede in der publizistischen Gewichtung. Eine rechtmäßige Filmförderung wird prominent moralisch gerahmt, während andere Vorgänge mit deutlich größerem Konfliktpotenzial deutlich leiser behandelt werden.
Dass die NOZ über die Affären rund um Herrn Spahn berichtet hat, bestreite ich nicht. Die Frage ist jedoch, mit welcher Tonlage und welcher Einordnung. Genau darauf zielte mein Vergleich.
Und gerade deshalb fällt auf, dass die NOZ bislang nicht über die Vorwürfe gegen Ministerin Reiche berichtet hat, deren Ressort Fördermittel an ein Unternehmen bewilligte, an dem ihr Lebensgefährte Karl-Theodor zu Guttenberg beteiligt ist. Ein Vorgang, der zumindest den Anschein eines echten Interessenkonflikts birgt.
Mit freundlichen Grüßen
Timm Reichl
Ich habe nachgeschaut, zur Förderung durch das von Katharina Reiche geführte Wirtschaftsministerium für das Unternehmen GovRadar, an dem ihr Lebengefährte Guttenberg beteiligt ist, gibt es keinen Artikel der Zeitung, richtig?
https://taz.de/Zahl-des-Tages/!6135278
Danke für den Kommentar. Diese tatsächlich stark nach unionsüblicher Korruption duftende Angelegenheit wurde seitens der NOZ bisher nicht besprochen. Aber wundern wir uns? Vielleicht kommt ja auch noch etwas…